In Deutschland sind streunende Hunde und Katzen kaum Teil des Alltags. In beliebten Urlaubsländern wie der Türkei, Spanien, Portugal oder Griechenland dagegen gehört es zum Straßenbild, dass Tiere ohne Zuhause und ohne Besitzer unterwegs sind. Doch wie kommt es zu dieser großen Zahl an herrenlosen Tieren?
 
Ein Hauptgrund liegt in der unkontrollierten Vermehrung. Viele dieser Straßentiere stammen ursprünglich von nicht kastrierten Haustieren ab. In der Türkei werden Hunde häufig als Wachtiere für Grundstücke oder Herden gehalten. Sie leben dauerhaft im Freien, meist ohne Kastration. Ihre Nachkommen werden oft nicht gebraucht und landen auf der Straße – manchmal gemeinsam mit der Mutter, manchmal ganz allein. Einige werden auch direkt auf der Straße geboren. Nur wenige überleben, doch diese wenigen reichen aus, um sich weiter zu vermehren.
 
Eine Hündin kann zweimal im Jahr Nachwuchs bekommen. Schon im darauffolgenden Jahr sind ihre Welpen geschlechtsreif und sorgen für neue Generationen. Die Zahl der Tiere wächst schnell und unaufhaltsam. Ein einziges Hundepaar kann innerhalb weniger Jahre zehntausende Nachkommen haben. Hat sich einmal eine Gruppe von Tieren in einer Region etabliert, ist es schwierig, diesen Kreislauf zu stoppen – aber nicht unmöglich.

Das Leben auf der Straße – Alltag voller Gefahren

Für streunende Tiere ist das Leben auf der Straße hart und meist kurz. Sie sind zahlreichen Gefahren ausgesetzt, viele davon verursacht durch den Menschen. Während in Deutschland Tiere oft als Familienmitglieder gelten, wird ihr Wert in vielen südlichen Ländern vor allem an ihrem Nutzen gemessen. Tiere, die keinen Zweck erfüllen, werden häufig als lästig empfunden.

Die Folgen sind drastisch: Tiere werden erschossen, vergiftet, geschlagen, ertränkt, getreten oder überfahren. Kein Wunder also, dass viele Straßenhunde und -katzen scheu sind und Menschen gegenüber auf Distanz bleiben. Sie haben schlechte Erfahrungen gemacht und gelernt, sich zu schützen. Ganz vermeiden lässt sich der Kontakt dennoch nicht, denn sie sind oft auf Essensreste und Müll angewiesen – für viele die einzige Möglichkeit, zu überleben.

Doch selbst abseits des Menschen ist das Leben nicht sicher. Krankheiten, unbehandelte Verletzungen, Revierkämpfe und Beißereien bedrohen ihr Überleben. In der Türkei sind Infektionen wie Parvovirose, Räude, Staupe, Leishmaniose, Ehrlichiose, FIV, FIP oder Katzenschnupfen weit verbreitet. Ohne medizinische Versorgung verläuft vieles davon tödlich.

Da Futter und sichere Plätze knapp sind, kämpfen die Tiere untereinander um jede Ressource. Um dem entgegenzuwirken, richten einige Gemeinden und Tierschutzvereine Futterstellen ein. Sie versuchen so, die Not der Tiere zumindest etwas zu lindern.

Tierschutz in der Türkei – Zwischen Stillstand und Hoffnung

 

Der Tierschutz in der Türkei steht noch ganz am Anfang. Seit dem Massakergesetz ist die Lage noch viel schlimmer geworden.  Vor allem in der älteren Generation ist die Vorstellung weit verbreitet, dass Tiere keine fühlenden Wesen sind, sondern eher als Dinge betrachtet werden. In den Städten und unter jüngeren Menschen beginnt sich dieses Bild langsam zu wandeln, doch der gesellschaftliche Wandel braucht Zeit. Umso wichtiger ist es, über Tierschutz aufzuklären und Bewusstsein zu schaffen.

Zwar sind türkische Gemeinden gesetzlich dazu verpflichtet, Straßentiere zu kastrieren, doch in der Praxis passiert das selten. Der Aufwand ist hoch, die finanziellen Mittel fehlen oder werden anders eingesetzt. Zwar existieren in vielen Gemeinden staatliche Tierheime, doch deren Zustände sind oft katastrophal. Die Tiere leben dort in viel zu kleinen Zwingern, neue Tiere werden wahllos dazugesetzt, was regelmäßig zu Kämpfen führt. Es fehlt an tierärztlicher Versorgung, an Futter und oft auch an grundlegender Hygiene. Viele Tiere verhungern, sterben an Infektionen oder infolge der Verletzungen aus den Auseinandersetzungen.

Ein funktionierender Tierschutz braucht nicht nur Gesetze, sondern auch den Willen, sie umzusetzen. Und vor allem braucht es Menschen, die Tiere als das sehen, was sie sind: Lebewesen mit Bedürfnissen, Gefühlen und einem Recht auf ein würdiges Leben.

Kastrieren statt vermehren: Der einzige Weg aus dem Leid

Eine dauerhafte Lösung für das Problem der Straßentiere gibt es nur durch groß angelegte Kastrationskampagnen. Es reicht dabei nicht aus, nur streunende Tiere zu kastrieren. Auch Hunde und Katzen mit unbeaufsichtigtem Freigang müssen einbezogen werden, denn sie tragen maßgeblich zur unkontrollierten Vermehrung bei.

Natürlich ist es unrealistisch, in kurzer Zeit Millionen Tiere zu kastrieren. Manche lassen sich kaum einfangen, andere leben zu versteckt. Aber jeder Eingriff zählt. Kastrierte Tiere werden nach der Wundheilung an ihren angestammten Platz zurückgebracht. Bis sich der Erfolg in sinkenden Tierzahlen zeigt, braucht es Geduld, Ausdauer und erhebliche finanzielle Mittel. Eine Kastration kostet im Schnitt etwa 100 Euro. Doch schon ein einziges kastriertes Tier kann verhindern, dass aus seinem Nachwuchs innerhalb weniger Jahre tausende weitere Tiere entstehen.

In den meisten Gemeinden fehlen Programme zur Kastration, da sie aufwendig und teuer sind. Kitmir führt im Raum Demirtas regelmäßig Kastrationen bei Hunden und Katzen durch. Jedes verletzte oder kranke Tier, das wir aufnehmen, wird im Zuge der Behandlung ebenfalls kastriert.

Für diese wichtige Arbeit sind wir dringend auf Spenden und Kastrationspatenschaften angewiesen. Jede Unterstützung hilft, weiteres Leid zu verhindern.

Privater Tierschutz in der Türkei: Hilfe aus eigener Kraft

In der Türkei fehlt es an staatlich organisiertem Tierschutz. Aus Mitleid mit den Tieren und dem Wunsch, etwas zu verändern, haben sich deshalb über die Jahre einige private Tierschutzvereine und Einzelpersonen aus Mitteleuropa vor Ort angesiedelt – auch Kitmir gehört dazu.

Diese Vereine erhalten keine staatliche Unterstützung und finanzieren ihre Arbeit fast ausschließlich durch Spenden aus Deutschland und den Nachbarländern. Die wenigen Organisationen, die aktiv im Einsatz sind, stoßen schnell an ihre Grenzen: Es fehlt an Geld, Personal und Platz. Täglich erreichen sie Meldungen über verletzte oder hilfsbedürftige Tiere. Doch die Kapazitäten reichen bei Weitem nicht aus, um allen zu helfen – besonders, da die Behörden keine Hilfe leisten.

In Deutschland können wir jederzeit den Notdienst oder eine Tierrettung rufen. Es gibt Strukturen, die sich kümmern. In der Türkei ist das anders: Es gibt keine zentrale Anlaufstelle, keine Hotline, keinen Rettungsdienst für Tiere. Die Verantwortung bleibt an privaten Initiativen hängen, die trotz aller Herausforderungen unermüdlich versuchen, das Schlimmste zu verhindern.

Für Urlauber, die in der Türkei ein verletztes oder gefährdetes Tier entdecken, haben wir eine eigene Hilfeseite mit allen wichtigen Informationen eingerichtet.

Adoption mit Verantwortung – Ein Zuhause schenken statt Tiere kaufen

Tiere, die nicht mehr auf der Straße überleben können – weil sie zu jung, zu schwach oder zu sehr an Menschen gewöhnt sind – versuchen wir in ein sicheres Zuhause zu vermitteln, oft auch nach Deutschland. Jedes vermittelte Tier bedeutet ein Leben in Sicherheit und gleichzeitig ein Tier weniger auf der Straße. Doch der Anteil der Vermittlungen ist gering. Diese Maßnahme kann helfen, ist aber allein keine Lösung für das große Problem der Straßentierpopulation.

Wer sich für ein Tier aus dem Tierschutz entscheidet, verändert damit ein ganzes Leben. Aus Unsicherheit wird Geborgenheit, aus Hunger wird Versorgung, aus Angst Vertrauen. Während die meisten Straßentiere nie die Chance auf ein liebevolles Zuhause haben, bedeutet eine Adoption für ein einzelnes Tier einen Neuanfang.

Deshalb unser Appell: Wer überlegt, ein Tier aufzunehmen, sollte sich an einen Tierschutzverein wenden. Der Kauf bei einem Züchter trägt nur dazu bei, dass noch mehr Tiere geboren werden, während unzählige andere in Tierheimen und Auffangstationen auf ihre Chance warten. Entscheidet man sich für Adoption statt Kauf, wird man nicht nur einem Tier gerecht – man setzt auch ein Zeichen.